At the edge of our seats

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Scarlatti 15

Christoph Ullrich’s reverence towards this father of virtuoso keyboard music is allways enthralling and rich in variety and has us at the edge of our seats. But then, for two fascinating bonus tracks Ullrich brings the well-known percussionist Eric Schaefer into,the recording studio. There they improvise together on two of the previously recorded sonatas. The result rounds of part 15: We can also reckon on more such surprises in the future.

Charme, Mobilität, Verrücktheit

von Peter Cossé

Im Verlauf von Folge 15 seiner Gesamtaufnahme aller 555 Scarlatti-Sonaten erweist sich Christoph Ullrich nicht nur als hellhörig musikalischer Geschichtenerzähler, sondern – nämlich im Zauberreich der Triller und ihrer fingerartistischer Unter- und Nebenarten – als pianistischer Vogelkundler. Im Begleitheft äußert sich der in Sachen Scarlatti so unermüdliche Pianist in einem Beitrag unter dem fragenden Titel „Zirkusakrobatik oder Naturlaut?“. Es handelt sich um einfallsreich in der Barockzeit fahndende „Gedanken zu den Verzierungen in Scarlattis Sonaten“. Und der Hörer darf sich überlegen, ob er den Beobachtungen und Mutmaßungen Ullrichs folgen möchte, immerhin kommt er zum Schluss: „Scarlattis Kompositionsstil weist durchaus Ähnlichkeiten mit dem Gesang der Vögel auf. Die oft impertinente Wiederholung einzelner Motive und thematischer Zellen findet sich hier wie dort (nämlich auch bei Bach /Anm.). Es wird viel repetiert, ohne dass der Hörer es als störend, als unorganisch empfindet. (…) Und erst die Triller!“

Noch wichtiger als diese, wie ich meine, anregenden, einem einfühlsamen und wertschätzenden Hören absolut dienlichen Aspekte der beiden neuen CDs scheint mir der Umstand, dass sich Ullrich inzwischen mit all seinen manuellen Geschicklichkeiten und einer Fülle von gestalterischen Einsichten ungemein beweglich und wohl auch emotinal gleichsam entsichert auf Sonatenabenteurer befindet. Mit einem D-Dur-Allegro (K 484, bzw. L 119) springt er in die imaginäre Arena pianistischer Dressur. Dies freilich im Sinne akkurater, ja penibler Vorbereitung, denn die schnelllebigen und schnurrigen Formate wollen erst einmal einstudiert und nach rein materialen Gesichtspunkten „gekonnt“ sein. Ullrich „liefert“ diese Nummern, wie mir scheint, um mehr als nur Nuancen prägnanter und zugleich lockerer und im besten Sinne redseliger als in den ersten Ausgaben Vol. 1, 11 und 14.

Anders gerühmt: dem Göttinger Interpreten gelingt es nun, den einzelnen Sonaten Klang, Mobilität, Charme, Verrücktheit oder auch lineare Klarheit zu sichern, als wäre er mit je einer einzelnen oder – wie im Konzertleben – mit einer kleinen Auswahl unterwegs. Das heißt: es gelingt ihm in diesem vierten Anlauf auf den Scarlatti-Gesamtsieg, auf einem darstellerischen und fingertechnischen Niveau zu agieren, wie es nur von wenigen „Konkurrenten“ vergangener Scarlatti-Zeiten erreicht worden ist. Zwei hübsche Improvisationen über die Sonaten K 487 und K 496 mit dem Drummer Eric Schaefer sind der Beweis, dass Ullrich es sich nicht nehmen lässt, dem zentralen Thema seiner momentanen Musikvita entspannende Fußnoten beizufügen.

Peter Cossé [22.12.2015]

 

Piano News

Die 555 Klaviersonaten von Domenico Scarlatti stehen seit Jahren im Fokus des aus Göttingen stammenden Pianisten Christoph Ullrich. Seit 2011 spielt er alle Stücke auf einem modernen Steinway-Konzertflügel ein. Was für eine Mammut-Aufgabe! Mittlerweile ist Volume 11 mit den Sonaten aus dem VIII. Venezianischen Band mit den Kirkpatrick-Nummern 358-387 erschienen. Glücklicherweise gelingt es dem Pianisten, jegliche akademische Ermüdungserscheinungen zu vermeiden. Spritzig elegant präsentiert er die Petitessen. Leicht federnd, transparent und dynamisch ausgefeilt führt er uns durch die Sonaten, und ehe man sich versieht, ist jeweils fast eine Stunde Hörgenuss vorüber. Zwar geht Ullrich enzyklopädisch vor, aber die Musik behält ein intuitives Moment: entspannt und schwebend.

Anja Renczikowski

Martin Hoffmeister: Weltkulturerbe

Scarlatti mit Ullrich

Es gibt viele (nicht haltbare) Gründe, die Sonaten des Neapolitaners Domenico Scarlatti zu unterschätzen: ihr zumeist überschaubarer zeitlicher Umfang, ihre vermeintliche Ähnlichkeit, die von ihnen generierte Atmosphäre des Spielerischen und der Leichtigkeit. Erst der zweite Blick auf diesen hermetischen Kosmos aus über 500 Preziosen lässt erahnen, auf welche Herausforderungen sich der geneigte Interpret einlässt. Wenige haben zu überzeugenden Exegesen finden können, viele sind an diesen komplexen Kleinodien gescheitert.

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Heinz Gelking

Ullrich agiert, als seien die Noten bloß die Textgrundlage für eine von ihm zu erfindende (oder zumindest: zu erfüllende) Rolle. Er schärft Kontraste, suchte Abenteuer, findet Klangvarianten, nutzt Wiederholungen, um darin nochmals freier zu fabulieren: Scarlatti als Experimentierfeld, auf dem man sich von Wissen, Erfahrung und Geschmack, aber eben auch vom pianistischen Instinkt und musikalischer Spontaneität leiten lassen kann.

image-hifi.com 4/2015